Die 57. Ausgabe des steirischen herbst steht unter dem Titel Horror Patriae – ein lateinischer Titel am Scheideweg zwischen amor patriae, der Liebe zum Vaterland, und horror vacui, der Angst vor der Leere. Warum fürchten wir uns vor der Heimat? Welche gigantische Leere steckt hinter dem gegenwärtigen Aufkommen von Nationalismen, Identitarismen und dem Kult um Wurzeln und Ursprünge? Diese werden von Regierungen in der ganzen Welt vermarktet und über das gesamte politische und intellektuelle Spektrum normalisiert, wenn nicht sogar gepriesen. Ethnisch begründete Nationalstaaten werden zum einzigen Bezugsrahmen, während die zunehmende Polarisierung der Gesellschaften durch das Prisma der „Identität“ naturalisiert wird. Man geht davon aus, dass die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft eine biologische Grundlage hat: Rasse und Blut. Gemischte, hybride oder verdrängte Subjektivitäten werden abgewiesen oder offen abgelehnt und als diskursive Rassenmischung oder Verrat am „Eigenen“ stigmatisiert. Überall tauchen neue Dissident:innen auf, und sie werden zum Schweigen gebracht. Dass die Linke dem gleichen selbstmörderischen Stammesdenken erlegen ist wie die Rechte, ist besonders alarmierend.
(Pressetext)