#THEATER

BIOGRAFIEN (M)EINER STADT - ANNA HUBERTA PRÄG, ESTHER ARMENGOL

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Herbert, 70, aus Simmering könnte sich keinen besseren Platz der Erde vorstellen, als den 11. Bezirk. Niemand kennt sein Grätzl besser als er. Über 40 Jahre war er dort als Postbote tätig, anfangs zu Fuß, dann mit Rad und zuletzt mit einem Elektroroller. Er kennt die Menschen, die dazugehörigen Hunde, jede Straße und jedes noch so kleine Beisl. Umso wichtiger ist es ihm, dass das Stadtbild erhalten bleibt. So stehen wir während unseres Gesprächs zwei Stunden am Gehsteig und beobachten einen Hausabriss, der nicht unkommentiert bleibt. Seine große Leidenschaft sind Autos. Kaufen würde er sich keines und überhaupt, gibt es wenig Gründe, Simmering zu verlassen: „I hob jo ois in Simmering. Na, Urlaub tat i net foahn. Bin nie gflogn. Tät a in an Fliaga ne einsteign glaub i. Kärntn woa des weitest wo i woa in meim Lebn.” 

Safya, 40, hingegen lebt erst seit wenigen Jahren in Wien, dennoch könnte sie sich keinen besseren Ort für sich und ihre Töchter zum Leben vorstellen. Nachdem sie sich aus einer langjährigen Beziehung befreit hat, die geprägt war von Missbrauch und Gewalt, ist Wien für Sie der Ort, an dem ihre Träume wahr werden: “This Frauenhaus for me was for me like the best hotel ever. And for the future I can tell you what I want. I want to take care of my two daughters. I want to speak good german, get Austrian citizenship, integrate more and to finish my education as Krankenpflegerin successfully, and then I will do a great job that I like and I'll be independent, and have a life. I’m running away from negative people like running away from a disease.” Um es mit den Worten eines älteren Ehepaars aus Floridsdorf zu sagen: „Wir san Wiener. Wir woan immer schon Wiener. Und wos des Beste is an Wien ‒ das Kulturelle.” 

In diesen und vielen weiteren fragmentarischen Erzählungen und kurzen Begegnungen, erhält man Einblick in das Leben der Bewohner:innen einer Stadt Was entsteht, ist ein Dialog, ein Miteinander, ein aktives Zuhören. Was macht den Menschen aus? Was bewegt ihn? Was gibt er preis? Was alle diese Begegnungen gemeinsam haben, ist das Erzählen-Wollen. Die Biografien, Ängste und Wünsche dieser Personen könnten unterschiedlicher nicht sein, dennoch teilen sich alle für einen Moment denselben öffentlichen Raum und sind somit ein prägender Teil der Stadtgesellschaft. 

Die Schauspielerin Anna Huberta Präg nähert sich in ihrer Performance diesen Fragen und den Menschen, die sie beantworten: unzählige Begegnungen, Stimmen, Bewohner*innen und Orte Wiens treffen aufeinander. Ein kleines Wien wird in den Theaterraum gebracht und bietet Platz zum Zuhören und sich Begegnen. Musikalisch begleitet werden diese Erzählungen von der Schauspielerin und Cellistin Esther Armengol. Mit ihrem Spiel fängt sie jede der vorkommenden Personen atmosphärisch ein und trägt mit einem musikalischen roten Faden dazu bei, die einzelnen Geschichten zu einem großen Ganzen zu verweben. 

Schauspielerin: Anna Huberta Präg 
Cellistin: Esther Armengol