#KUNST#AUSSTELLUNG

WAS WILL ICH WISSEN? CURATED BY DR. FRIEDEMANN MALSCH

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Kurator:
Dr. Friedemann Malsch

KünstlerInnen:
​Thom Barth
Magda Csutak
Edith Dekyndt
Thomas Lehnerer
Mircea Nicolae
Lia Perjovschi
Tomas Schmit


​Das Ende des Kalten Krieges hat nicht nur die bipolare Weltordnung verschwinden lassen. Auch Gewissheiten und Verbindlichkeiten sind seither kleiner geworden oder ganz verschwunden. Die Verbindlichkeit intersubjektiven Wissens parzelliert sich inzwischen in unzählige voluntaristische Wissenswelten, die miteinander konkurrieren. Pandemie, Terror und Krieg, Klimawandel und Künstliche Intelligenz haben die neue Unübersichtlichkeit und Unsicherheit weiter verstärkt. Das Post-Faktische und die zunehmende Virtualisierung der Lebenswelten verlangen deshalb immer dringlicher nach der Frage, welche Rolle Wahrnehmung und Wissen für das Verständnis der Welt, d.h. für die Konstruktion von Wirklichkeit, heute spielen.
​Perspektivische Ratlosigkeit lässt sich auch in der Kunst der vergangenen drei Jahrzehnte beobachten. Dokumentarische Ansätze, Erstellen und Auswerten von Archiven, soziales und politisches Engagement bei identitätspolitischen Fragen – diese und ähnliche Verfahren prägen weite Teile der heutigen künstlerischen Produktion. Sie alle verbindet offensichtlich die Überzeugung, dass Erwerb, Besitz und Verbreitung von Wissen von vorrangiger Bedeutung sind. Die Untersuchung der Bedingungen und Strukturen von Wahrnehmung und ihrer Rolle für Erkenntnis, mithin das Hinterfragen von Wissen, scheint dagegen zweitrangig zu sein. Diese «Aisthesis», altgriechisch für Sinneswahrnehmung, war bereits in der Philosophie der Antike ein häufig diskutierter Begriff. Bei aller rationalen, metaphysischen oder eschatologischen Dimension ihrer Deutung wurde sie stets als eine der Quellen für die Generierung von Welt-Wissen verstanden, zu dem sich das intellektuell erworbene Wissen komplementär verhält.

​​Die Erfahrung der Welt durch die Sinne war stets eine Grundlage künstlerischer Reflektion und Produktion, denn anders als abstraktes Denken kann die «Aisthesis» mit ihren synästhetischen Qualitäten zu Erkenntnissen führen, die rational (noch?) nicht zugänglich sind. Die Frage «Was will ich wissen?» zielt in erster Linie auf Erkenntnis als Ergebnis von Wahrnehmung. Sie erfordert selbstreflexives Verhalten, etwa durch Fragen wie: Mit welchen Methoden gelange ich zu Erkenntnis? Ist sichere Erkenntnis überhaupt möglich? Was sind Wahrheit und Wirklichkeit? Produktiver Zweifel, Neugier, Experimentierfreude und zugleich Verortung im Kontext von Wahrheit und Wirklichkeit sind die sie treibenden Kräfte. Die künstlerischen Positionen in dieser Ausstellung verbindet, dass sie sich mit dem Wechselspiel von Wissen und Wahrnehmung auseinandersetzen, der «Aisthesis» als Quelle von Wahrnehmung und Erkenntnis als Weg zu Wissen. Einerseits zeigt sich in ihren Strategien eine methodische Nähe zu wissenschaftlicher Erkenntnistheorie, andererseits untersuchen die Künstlerinnen und Künstler auf experimentelle Weise die Erkenntnis- und Metaphorik-Potentiale von Material und Prozess für das Erzeugen von Bildern. Dabei liefern sie – und dies ist eine fundamentale Kraft der Kunst – keine Antworten auf Fragen. Vielmehr sind ihre Experimente und deren Produkte Anlass zu weiteren Experimenten, zu weiteren Fragen. Fragen nach der Verbindlichkeit von Wissen, Fragen an das Erkenntnispotential von Wahrnehmung, Fragen an die Sinne und die Funktion des Denkens, Fragen schliesslich auch an die Erkenntnispotentiale von Kunst.​